Strafprozessrecht / Durchsuchung
Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.08.2015 zu den Beschlüssen des BVerfG vom 13. Juli 2015 - 1 BvR 1089/13 -, - 1 BvR 1090/13 -, - 1 BvR 2480/13 -
Strafprozessrecht / DurchsuchungDie Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären. Erforderlich sind vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen, die den Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 5 Satz 1 Strafprozessordnung entfallen lässt. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit zwei heute veröffentlichten Beschlüssen entschieden und Verfassungsbeschwerden eines Journalisten sowie eines Zeitungsverlags gegen Durchsuchungsmaßnahmen stattgegeben.
Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.08.2015 zu den Beschlüssen des BVerfG vom 13. Juli 2015 - 1 BvR 1089/13 -, - 1 BvR 1090/13 -, - 1 BvR 2480/13 -
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Betäubungsmittelstrafrecht / CannabisDer Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert es, dass ein Beschwerdeführer zunächst alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug zu verhindern oder zu beseitigen. Diese Obliegenheit steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit.
Einem Schmerzpatienten, der zwingend auf die - ihm behördlich erlaubte - Einnahme von Cannabinoiden angewiesen ist, jedoch nicht über die finanziellen Mittel zur Deckung seines Bedarfs verfügt, ist es nicht zuzumuten, die Zeit bis zur Gewährung verwaltungsrechtlichen (Eil-)Rechtsschutzes zur Frage eines Anbaurechts unversorgt zu überbrücken. Dem mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein und in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Diese Maßstäbe beanspruchen auch für die Beschlagnahme Geltung. Ein Durchsuchungsbeschluss genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn sich im Einzelfall die Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste und gleichwohl eine Prüfung vollständig fehlt. Im Beschwerdeverfahren können Defizite in der Begründung des Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nachgebessert werden, während Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel nicht mehr heilbar sind. Den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen ist nicht genügt, wenn der Ermittlungsrichter auf jede einzelfallbezogene Begründung der Durchsuchungsanordnung verzichtet, nachdem der beschuldigte Schmerzpatient selbst angezeigt hatte, dass er bis zu einer behördlichen Entscheidung über eine Anbauerlaubnis zur Abwendung einer akuten medizinischen Unterversorgung im Rahmen einer ärztlich begleiteten Schmerztherapie Cannabis zum Eigenverbrauch anbaue. Soweit in einer derartigen Konstellation konkrete Anhaltspunkte für einen Cannabisanbau auch für Dritte bestehen, ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass der Durchsuchungsbeschluss und die Beschlagnahmeanordnung auf Beweismittel beschränkt werden, die einen solchen Tatverdacht stützen. Außerhalb derartiger atypischer Ausnahmekonstellationen sind die Gerichte allerdings nicht gehindert, Durchsuchungen ohne gesteigerte Begründungserfordernisse als erforderlich anzusehen und von einer Fremdgefährdung auszugehen, weil Beschuldigte die angebauten Betäubungsmittel in aller Regel auch in den Verkehr bringen. Aus BVerfG HRRS 2015 Nr. 281, Beschluss des BVerfG vom 11. Februar 2015 - 2 BvR 1694/14 - Strafprozessrecht / DurchsuchungMit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird. Dem Schutz unterfallen auch beruflich genutzte Räume wie Rechtsanwaltskanzleien.
Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern gebietet bei der Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei die besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Strafverfolgungsbehörden haben dabei die Grundrechte der Mandaten, das Interesse der Allgemeinheit an einem Vertrauensverhältnis zum Berufsgeheimnisträger und auch das Ausmaß der - mittelbaren - Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der Betroffenen zu berücksichtigen. Im Einzelfall können der Durchsuchung die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die Vagheit des Auffindeverdachts entgegenstehen. Für die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat spricht es, wenn sie nicht von erheblicher Bedeutung ist. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind regelmäßig nicht von erheblicher Bedeutung. Der gegen einen Rechtsanwalt gerichtete Verdacht einer Verletzung der Unterhaltspflicht ist nur von geringem Gewicht, wenn die Strafanzeige nicht vollständig plausibel und nicht widerspruchsfrei ist und sich der Tatverdacht vor allem daraus ableitet, dass der Anwalt sich in einem familiengerichtlichen Verfahren nicht von einem medizinischen Sachverständigen hat untersuchen lassen und möglicherweise die Unwahrheit über seinen Gesundheitszustand und damit über seine erzielbaren Einkünfte gesagt hat, wenn jedoch zugleich dokumentiert ist, dass er zumindest zeitweise an einem Burnout-Syndrom und anderen Beeinträchtigungen litt. Der Beschluss, mit dem wegen des Vorwurf der Unterhaltspflichtverletzung die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei angeordnet wird, muss sich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit insbesondere dann im Einzelnen auseinandersetzen, wenn der Beschuldigte die freiwillige Herausgabe aller relevanten Unterlagen angeboten hat, wenn belegt ist, dass der Beschuldigte über Jahre hinweg andere Gläubiger nicht befriedigt hat, um seinen Unterhaltspflichten nachzukommen und wenn die Straferwartung angesichts der - zu erörternden - Umstände des Einzelfalls nur sehr gering ist. Aus BVerfG HRRS 2015 Nr. 280, Beschluss des BVerfG vom 29. Januar 2015 - 2 BvR 497/12 - |
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